Tag der Archive 2022

Fakten, Geschichten, Kurioses

Archive bewahren historische Quellen über vielfältige Sachverhalte im Original auf. Die Archive im kult Westmünsterland, das Stadtarchiv Vreden und das Kreisarchiv Borken, sind das „historische Gedächtnis“ für die Stadt Vreden und den Kreis Borken. In den Archivmagazinen finden sich Urkunden, Karten, Pläne, Akten, Amtsbücher, Fotos und andere zunehmend auch digitale Schrift-, Bild- und Tonträger. Neben dem amtlichen Schriftgut wird im Kreisarchiv Borken und dem Stadtarchiv Vreden auch privates Sammlungsgut archiviert, das aus rechtlichen und historischen Gründen für die Geschichte von Stadt und Region bedeutsam ist. Unter dem Motto „Zahlen, Fakten, Kurioses“ hat das Archiv eine Auswahl von unerwarteten und ungewöhnlichen Quellen aus verschiedenen Zeiten und unterschiedlichen Archivbeständen getroffen.

Der "Tag der Archive 2022" findet deutschlandweit am 6. März statt. Im kult Westmünsterland werden zusätzlich zu dieser digitalen Präsentation von Fundstücken drei Archivführungen hinter die Kulissen der Archive im kult angeboten.

So, 06.03.2022, 11:00 Uhr,
So, 06.03.2022, 14:00 Uhr,
So, 06.03.2022, 15:30 Uhr.

Die Teilnahme an den Führungen ist kostenlos. Aufgrund der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie ist die Teilnehmer:innenzahl an den Führungen auf 10 Personen begrenzt. Um eine vorherige Anmeldung per E-Mail oder Telefon wird gebeten.




Pläne für einen Großschifffahrtsweg Rhein-See-Kanal

 

 

In dieser blauen fadengehefteten Spezial-Akte des Kreises Borken mit dem Titel „Grossschiffahrtsweg vom Rhein zur deutschen Nordsee“ spiegeln sich die kühnsten Seefahrer- und Handelsträume wieder. Wie anders wäre die wirtschaftliche Entwicklung von Borken, Gronau, Raesfeld, Südlohn, Stadtlohn und Vreden wohl verlaufen, wenn die Pläne realisiert worden wären? In der Kaiserzeit – als Eisenbahn und Schifffahrt das beherrschende Transportmittel waren und die Mehrzahl der Wege zu Fuß oder mit Pferd und Kutsche zurückgelegt wurden – diskutierte man im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin sowie im Ahauser und Borkener Kreistag kühne Träume vom Bau eines Großschifffahrtsweges. Die geplante Trasse sollte von Köln über Düsseldorf durch das Westmünsterland dicht entlang der holländischen Grenze führen, um über Lingen im Emsland schließlich bei Emden in den Dollart zu münden.

In dieser Zeit nationalstaatlichen Denkens wurde das Projekt besonders in den nordwestdeutschen Großstädten und in den Orten entlang der geplanten Trasse – Borken, Gronau, Nordhorn und Emden begeistert in der Presse dargestellt und gefeiert. Das deutsche Kaiserreich rüstete im Vorfeld des Ersten Weltkrieges seine Kriegsflotte massiv auf, um im Kriegsfall der britischen Seemacht Contra zu bieten. Für das vaterländische Ziel der Unabhängigkeit von ausländischen Seehäfen wurde der Plan zum Bau eines Wasserweges vom Rhein zur deutschen Nordseeküste dicht entlang der niederländischen Grenze entwickelt. Nach den Plänen der königlichen Bauräte Herzberg und Taaks aus Berlin sollten die Höhenunterschiede der 220 km langen Strecke zwischen Wesel und Emden mittels sieben Schleusen überwunden werden. Die dritte Schleuse war im südlichen Buterland zwischen Gronau und Epe geplant.  Der Borkener Landrat Stephan Graf von Spee sieht in seiner Stellungnahme zum Kanalbau an den Regierungspräsidenten vom Herbst 1912 eine große Verbilligung der Frachten für Landwirtschaft und Industrie. Insbesondere die zahlreichen Ziegeleien bekämen durch den Kanal bessere Absatzmöglichkeiten und bei einer Nordwanderung des Bergbaus wäre der Kanal von großer Wichtigkeit.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges hat all diese Pläne zu Nichte gemacht. Laut der Akte im Kreisarchiv Borken hat der Verein zur Förderung des Baues eines Großschifffahrtsweges vom Rhein zur deutschen Nordsee in Berlin 1918 und 1924 noch bestanden, doch es fehlen weitere Nachrichten.






Tracht-Geschenk für Landrat Gerd Wiesmann

Die Tracht der Hochländer wird in der Podhale-Region im polnischen Teil des Tatra-Gebirges getragen. Der Hut ist aus schwarzem Filz, das Hemd hat einen langen Schnitt und wird mit einer Metallklammer verziert. Die langgeschnittene und reichlich bestickte Hose ist aus cremefarbenen Filzstoff und wird mit einem breiten, sogenannten Hirtengürtel gehalten. Der Bergstock mit dem Handgriff in Form einer kleinen Axt wird als Element der Volkstracht getragen.



Im Kreisarchiv Borken schlummert ein Gastgeschenk des Landkreises Wroclaw/Breslau in Polen, für den damaligen Landrat Gerd Wiesmann. Es ist ein maßgeschneiderter Trachtenanzug, inklusive Hut, Gürtel, Lederschuhen und einem Bergstock. Überreicht wurde dieses Geschenk während des Partnerschaftstreffens vom 17. bis 20. August 2009 in Südpolen.

Der Kreis Borken pflegt seit vielen Jahren enge freundschaftliche Beziehungen zum Landkreis Breslau in Polen. Am 20. Oktober 2000, kurz nach der Wiedereinführung der Kreisstrukturen in Polen, wurde der Partnerschaftsvertrag von den Landräten Andrzej Wasik und Gerd Wiesmann in der Jugendburg Gemen unterzeichnet.

Seit dieser Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages finden jedes Jahr Treffen von Delegationen der beiden Kreistage und der Verwaltungsspitzen statt. Darüber hinaus gab und gibt es enge Beziehungen zwischen Schulen, Vereinen und Privatpersonen aus dem Kreis Borken und dem Landkreis Breslau. Aus der Partnerschaft der beiden Kreise erwuchsen zudem zwei Partnerschaften auf Gemeindeebene zwischen Velen und Dlugoleka (Partnerschaftsvertrag 2003 unterzeichnet) und zwischen Raesfeld und Kobierzyce (Kooperationsvereinbarung aus 2005).

Anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhestand am 24.10.2009 schenkte der Partnerkreis Landrat Wiesmann ein umfangreiches, farbiges Kartenwerk mit Reproduktionen von Landkarten Schlesiens, der schlesischen Fürstentümer sowie der Grafschaft Glatz und der Lausitz des 18. Jahrhunderts. In seiner Widmung nennt Landrat Andrzej Wasik seinen deutschen Partner den „Initiator und Langjährigen Fürsprecher unserer Zusammenarbeit“.

Die Feierlichkeiten zum 20jährigen Jubiläum des Partnerschaftsvertrags zwischen den Kreisen musste 2020 leider bedingt durch die Corona-Pandemie ausfallen. Stattdessen hat ein digitaler Austausch der beiden amtierenden Landräte stattgefunden.



Landrat Gerd Wiesmann bekommt das Geschenk von einer Trachtengruppe überreicht.
Anlässlich seiner Pensionierung überreicht der Wroclawer Landrat Andrzej Wasik Gerd Wiesmann ein Kartenwerk mit historischen Karten.
Landrat Gerd Wiesmann in der geschenkten Tracht beim Partnerschaftstreffen im August 2009 im Partnerkreis Wroclaw/Breslau.
Umschlag des geschenkten historischen Kartenwerks anlässlich der Verabschiedung von Gerd Wiesmann am 24.10.2009.




Geschenksendungen nach „drüben“ / Paketverkehr in die SBZ (Sowjetische Besatzungszone)

In den Nachkriegsakten des Kreisgesundheitsamtes Borken sind in Infoblättern und der Korrespondenz Anfang der 1960er Jahre die Schwierigkeiten im Päckchenversand mit der Ostzone nachlesbar. Nach dem Bau der Mauer 1961 konnten Ostdeutsche der SBZ ihre westdeutschen Familienangehörigen nur noch schwer oder meist gar nicht mehr besuchen. Auch Kontakthalten über das Telefon war mangels ausreichender Möglichkeiten eher die Ausnahme. So blieb vielen getrennten Familien nur das Briefe schreiben und Päckchen schicken. Das „Kuratorium Unteilbares Deutschland“ war eine 1954 in der BRD gegründete überparteiliche Organisation mit dem Ziel, den Gedanken der deutschen Einheit wach zu halten und eine Wiedervereinigung „in Freiheit“ anzustreben. Sie organisierte u.a. auch den Päckchenversand nach „drüben“. Auch das „Büro für gesamtdeutsche Hilfe“ in Bonn forderte die Menschen im Westen dazu auf, die Verwandtschaft im Osten mit Postsendungen zu unterstützen.

Doch eine Reihe von Vorschriften und Verboten seitens der SBZ-Behörden erschwerte die Umsetzung. Die Organisationen versuchten mit Handzetteln und Infoblättern zu den wichtigsten Bestimmungen Privatpersonen im Westen beim „richtigen“ Päckchen packen zu unterstützen. Denn nur Privatpersonen war es gestattet überhaupt Päckchen an ausschließlich private Empfänger in der Ostzone zu versenden. Ebenso durfte der Hinweis „Geschenksendung! Keine Handelsware!“ und ein Inhaltsverzeichnis auf keinen Fall fehlen. Zeitungen, Zeitschriften, Comics und Bücher mit politischen oder militärischen Inhalten waren verboten. Für beliebte Genussmittel wie Kaffee, Tabak und Schokolade galten geringe Höchstmengen. Kurioser Weise bargen aber vor allem gebrauchte Schuhe und getragene Bekleidung besondere Hindernisse. Hier musste laut Vorgabe der sowjetzonalen Kontrollorgane eine amtliche Desinfektionsbescheinigung eines „Landesgesundheitsamtes“ vorliegen. Da es aber weder in NRW noch in einem anderen westdeutschen Bundesland diese Einrichtung gab und die Bescheinigungen des „Hygienisch-bakteriologischen Landesuntersuchungsamtes – Abteilung Desinfektion“ in der SBZ nicht anerkannt wurden, machte sowohl die Bundesländer als auch das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ratlos.


Inhaltliche Erarbeitung

Renate Volks-Kuhlmann
Hildegard Nagel
Nadine Schober

Technische Umsetzung

Flemming N. Feß
Gregor Greve


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